Manches bleibt auch von Corona weitgehend unberührt. Dazu gehört das saisonale Auf und Ab der Natur,
dem sich die Phänologie widmet, die “Lehre der Erscheinungen”. Eine der auffälligsten solchen Erscheinung
am Niederrhein sind die großen Gänseschwärme, die mit dem einsetzenden Herbst bei uns einfallen.
In den vergangenen Tagen konnten Ornithologen im Kreis Wesel bereits zahlreiche dieser nordischen Gäste in
der Rheinaue beobachten. Dabei haben neben der “normalen” Blässgans auch die Seltenheiten nicht auf sich
warten lassen. Deutsche Pünktlichkeit hat sich offenbar auch in der Arktis herumgesprochen, denn bereits am
20.9., unmittelbar vor dem offiziellen Herbstbeginn, saßen zwischen ihren häufigen Verwandten auch die ersten Ringel- und Rothalsgänse des Herbstes an den Flutmulden auf der Bislicher Insel (ehrenamtl. Meldung).
Mit anderen Worten: es ist Zugzeit. Die allerletzten Schwalben schleichen sich davon, Mauersegler,
Sumpfrohrsänger und Kuckuck sind längst über alle Berge. Stattdessen kommen Bergfink, Rotdrossel und
Schellente aus dem Norden, um nur ein paar weitere Beispiele zu nennen. Immer mal kommt es auch vor,
dass diese Arten weit abseits ihrer üblichen Zeitfenster erscheinen, etwa Bergfinken, die noch im Sommer in
unseren Wäldern singen oder (noch seltener) Schwalben, die in warmen Fabrikhallen überwintern.
Um diese Regeln und Ausnahmen des Vogelzugs zu feiern, gibt es den Weltzugvogeltag. Von den Vereinten
Nationen 2006 ins Leben gerufen findet er jährlich am zweiten Samstag im Mai und im Oktober statt: wer ihn
am eben vergangenen Wochenende nicht im Kalender stehen hatte, wird Verständnis ernten. Man findet ihn
bezeichnenderweise auf kuriose-feiertage.de. Das soll uns aber nicht schrecken, zumal er sich dort mit dem
Internationalen Mädchentag in guter Gesellschaft befindet. Der Weltvogelzugtag hat aber längst seine eigene
Webseite unter https://www.worldmigratorybirdday.org/, künstlerische Ausgestaltung inklusive. Hier
können Veranstaltungen angemeldet werden (… aktuell ja so eine Sache), doch Tag und Seite können auch
einfach als Blick über den geographischen Tellerrand in das weltweite Herbst- und Frühjahrsabenteuer der
Vogelwelt dienen. Denn ein Abenteuer ist es tatsächlich: illegale Bejagung, durch den Klimawandel bedrohte
Lebensräume oder die Kollision mit Stromleitungen machen die ohnehin beschwerliche Reise zu einem
Hindernislauf, der für nicht wenige Vögel tödlich endet. In diesem Sinne ist der Weltzugvogeltag auch eine
Gelegenheit, sich an diese Konflikte zwischen Mensch und Natur zu erinnern und and Lösungen zu arbeiten.
Apropos Veranstaltungen: in den vergangenen Jahren hat die Biologische Station von Ende November bis
Februar regelmäßig Gänseführungen durchgeführt. Im letzten Winter war daran natürlich nicht zu denken. In
den kommenden Wochen fällt die Entscheidung, ob wir diesen Faden im kommenden Winter wieder
aufnehmen. Gegenenenfalls werden wir rechtzeitig um die Monatswende Oktober/November in den Medien
die Termine bekanntgeben.
Foto 1: Blässgans-Formation von Hans Glader
Foto 2: Schellente von Hans Glader
(Quelle: Pressemitteilung Biologische Station im Kreis Wesel e.V.)